Der Beginn

Ende der 1970er Jahre kamen Menschen mit Einschränkungen in den Blick der Musikpädagog*innen.
Unter dem Namen „Bochumer Modell“ entstand zunächst ein Modellversuch, dann eine Abteilung in der Musikschule Bochum. Initiator dieses einmaligen Projekts war der damalige Musikschulleiter Werner Probst. Im Laufe der Jahre haben zahlreiche Musikschulen in Deutschland die modellhafte Entwicklung in Bochum übernommen und bieten ebenfalls Musik für Menschen mit Einschränkungen an.

Selbstverständliche Teilhabe

An der Musikschule in Bochum ist es zur Selbstverständlichkeit geworden. Circa 250 Schüler*innen werden wöchentlich in 80 Unterrichtsstunden und zehn Ensemblestunden von 35 Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet.
Menschen mit Einschränkungen begegnet man überall in den Musikschulgebäuden oder bei Veranstaltungen innerhalb und außerhalb der Musikschule. Sie kommen, um Instrumentalunterricht zu nehmen, in die musikalische Früherziehung zu gehen oder in einem Ensemble/Band mitzuspielen. Eines der vielen Angebote nehmen sie wahr, die ihnen die Musikschule mit der Abteilung des Bochumer Modells anbietet.

Die Schüler*innen mit Einschränkungen können grundsätzlich jedes an der Musikschule angebotene Instrument erlernen. Dazu kann die Geige genauso gehören wie die Trompete oder das Klavier. Nach einer gewissen Lernzeit ist es meistens möglich, in einem der vielen Spielkreise, Ensembles oder Bands mitzuspielen, was den Spaß an der Musik deutlich erhöht. Auch ein direkter Einstieg in die Ensembles ist möglich. Das Unterrichtsangebot ist vielfältig und richtet sich an alle Arten von Einschränkungen und an alle Altersstufen.
Die Musikschullehrer*innen arbeiten mit den Förderschwerpunkten motorische Entwicklung, Lernentwicklung, geistige Entwicklung, Sprachentwicklung, Hörentwicklung, soziale Entwicklung und psychische Beeinträchtigung. Der Unterricht findet in Gruppen, im Klassenverband oder auch als Einzelunterricht statt.

Weitergebildete Musikpädagoginnen und Musikpädagogen

Die Lehrkräfte im Bochumer Modell sind an Hochschulen ausgebildete Instrumentalpädagog*innen, die zum großen Teil über eine Zusatzausbildung (Instrumentalspiel mit Menschen mit Einschränkungen an Musikschulen) verfügen oder Sonderpädagog*innen mit dem Fach Musik. Fast alle Lehrkräfte arbeiten nicht ausschließlich mit Schülerinnen und Schülern mit Einschränkungen. Die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern mit und ohne Einschränkungen führt zu einer Bereicherung und zu einer positiven wechselseitigen Beeinflussung.

Soziale Komponente

Der Unterricht findet hauptsächlich in der Musikschulzentrale, in einigen Außenbezirken, in Förderschulen, in Wohnheimen und Kindertagesstätten statt. Er ist nicht als Therapie gedacht, auch wenn sich zweifelsohne therapeutische Wirkungen dadurch zeigen. Das Musizieren ist ein Freizeitangebot, das auch neue soziale Kontakte erschließt. Diese soziale Komponente schließt die Eltern mit ein, die sich zum Teil in der Musikschule treffen, während ihre Kinder musizieren.

Nicht zu vergessen ist das reichhaltige Angebot an Veranstaltungen, das einen wesentlichen Beitrag zum kulturellen Leben der Stadt leistet. Zu nennen sind die Bochumer-Modell-Konzerte, Auftritte der Ensembles bei Konzerten oder Stadtfesten und die Klassenvorspiele, die fast immer inklusiv gestaltet sind. Hier haben die Schüler*innen die Möglichkeit, ihr Können zu zeigen und sich eingebunden zu fühlen in ihrer Gruppe, Band etc. und damit in ihrer Musikschule. Den Stolz und die Freude am Erfolg erleben die Eltern in diesen Situationen besonders und teilen diese Emotionen mit ihnen. Gerade sie spüren oft, was die Auftritte für die Selbststärkung und das Persönlichkeitsempfinden ihres Kindes bedeuten.